Jedes Kind ist etwas ganz Besonderes! Es wird mit seiner individuellen Veranlagung geboren. Die Umwelt nimmt einen großen Einfluss auf seine Entwicklung, ebenso wie viele andere Entwicklungsbereiche zur altersgemäßen Entwicklung deines Kindes beitragen. Dabei spielt die motorische Entwicklung – insbesondere im ersten Lebensjahr – eine große Rolle.
Im Folgenden möchte ich euch die „Meilensteine“ in der motorischen Entwicklung vorstellen und ihre Bedeutung für die weitere Entwicklung. Die dazu aufgeführten Tipps und Spielideen unterstützen dein Kind dabei sie zu erreichen.
Was ist Motorik?
Motorik ist ein anderer Begriff für Bewegung und ist die Fähigkeit des Körpers, sich zu bewegen. Die Welt erschließt sich dem Kind über Bewegung. Die Voraussetzung dafür ist ein fein aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel von Muskeln und Nerven und ihrer Steuerung.
Man unterschiedet zwischen der Grobmotorik und der Feinmotorik. Die motorische Entwicklung findet stets von oben nach unten, also vom Kopf zu den Füßen statt und von der Mitte nach außen, also vom Rumpf hin zu den Extremitäten.
Unter dem Begriff Grobmotorik versteht man die Bewegungen, die von großen Muskelpartien ausgeführt werden wie z.B. rollen, krabbeln, laufen, hüpfen, klettern, usw..
Unter dem Begriff Feinmotorik versteht man die Bewegungen, die mehr an der Peripherie stattfinden und von vielen kleinen Muskeln durchgeführt werden wie z.B. kauen, schlucken, greifen, bauen, malen, die Anpassung des Fußes an den Boden sowie die Augenbewegungen.
Bedeutende Entwicklungen für eine gute Bewegungsqualität
Von der Asymmetrie zur Symmetrie
Die Körperhaltung des Kindes ist anfangs asymmetrisch, da der Kopf sowohl in Bauch- als auch in Rückenlage zur Seite gelegt wird. Durch das Wenden des Kopfes wird die Körpermitte überkreuzt und das Baby macht Erfahrungen über seine beiden Körperseiten. Es lernt nach und nach sich in der Mitte zu halten und sich willentlich zu bewegen.
Es beginnt seinen Körper zu erkunden durch
Hand – Mund, Hand – Hand,
Hand – Fuß und Fuß – Fuß-Kontakt.
TIPP:
Da das Köpfchen deines Babys anfangs oft auf der Seite liegt, schaue häufiger in das Bettchen, so dass dein Kind motiviert ist, sein Köpfchen in die Mitte zu drehen und dich kurz anzuschauen.
Die statomotorische Aufrichtung
Dieser neuromotorische Aufrichtungsprozess beinhaltet die „Aufrichtung“ des liegenden Säuglings in den selbstständigen Stand gegen die Schwerkraft in Rücken- und Bauchlage.
Während der ersten zwölf Lebensmonate ist diese neuromotorische Entwicklung für das Neugeborene von sehr großer Bedeutung. Die anfänglich instabile Wirbelsäule ist noch nicht in der Lage dem Kopf bzw. dem ganzen Körper eine aufrechte Haltung zu gewährleisten. In verschiedenen Etappen entwickelt das Kind in Rücken- und Bauchlage durch das Trainieren verschiedener Körperhaltungen und Körperbewegungen wichtige Stützmuskulatur.
Diese Bewegungsentwicklung bringt dem Kind stabile Körperhaltungen und die dazugehörigen Gleichgewichtseinstellungen sowie Sinneserfahrungen.
Diese Erfahrungen motivieren das Kind sich mehr und mehr gegen die Schwerkraft hoch zu stützen und sich auf seine Umwelt einzulassen. Hierbei kommt es zu einer erweiterten Bewegungsfreiheit und zur Integration der Sinne.
Anheben des Kopfes
Jedes Kind versucht sehr früh, sich gegen die Schwerkraft aufzurichten. Die Aufrichtung erfolgt vom Kopf über die Schulter hin zum Becken. Mit zunehmender Aufrichtung erhöhen sich die Bewegungsmöglichkeiten deines Kindes.
TIPP:
Lege dein Baby zum Spielen auf den Bauch, denn diese Position spielt eine wichtige Rolle beim Stärken der Arm-, Bauch- und Rückenmuskulatur. Dann setze oder knie dich vor ihm hin. Mache ein Geräusch, egal ob mit deiner Stimme oder einer Rassel, so dass
dein Kind versucht sich der Geräuschquelle
zuzuwenden und den Kopf kurz zu heben.
TIPP:
Dein Kind liegt auf dem Rücken. Greife beide Hände deines Kindes und ziehe es langsam hoch.
!!! Solange keine Kopfkontrolle vorhanden ist, biete deinem Kind soviel Unterstützung beim Halten des Köpfchens an wie nötig!
Sprich dabei mit ihm und fordere seine Aufmerksamkeit heraus. Es wird versuchen den Kopf kurzfristig selber zu halten.
Rollen
Etwa ab dem 6. Lebensmonat lernt dein Kind sich vom Rücken auf den Bauch zu drehen oder umgekehrt. Durch das Rollen erweitert dein Kind seinen aktiven Aktionsradius und kann sich ohne Hilfe durch einen Erwachsenen fortbewegen. Zeige deinem Baby deine Freude darüber, wenn ihm etwas gelingt.
TIPP:
Du kannst dein Baby zum Drehen von Bauch- zur Rückenlage anspornen, indem du es z.B. mit seinem Lieblingsspielzeug lockst. Zeige ihm das Spielzeug und positioniere es dann in Sicht- aber nicht in Reichweite, so dass dein Baby sich drehen muss, um es zu greifen.
TIPP:
Diese Motivation funktioniert auch gut in Rückenlage. Zeige deinem Baby ein interessantes Spielzeug und lege es dann neben dein Kleines. Du kannst die Drehbewegung damit unterstützen, indem du das linke Bein deines Babys über das rechte legst, wenn es sich nach rechts drehen soll und umgekehrt.
Robben
Dein Baby fängt erst an zu robben, wenn die Nackenmuskulatur ausreichend ausgebildet ist. Der komplexe Bewegungsablauf erfordert zudem viel Koordination. Auch Armmuskulatur, Schultermuskulatur, Rücken- und Brustmuskulatur sind an der robbenden Bewegung beteiligt. Schließlich muss das Baby einen kleinen Liegestütz machen, um sich auf die Unterarme drücken zu können. Die meisten Babys robben zwischen 7 und 8 Monaten rückwärts und auf dem Bauch vorwärts zwischen dem 8 und 9½ Monat. Aber denke daran: Jedes Baby entwickelt hier seinen eigenen Stil und bewegt sich unterschiedlich fort. Gib deinem Kind in jedem Fall genug Freiraum und positive Bestärkung.
TIPP:
Auf glatten Böden kann das Robben ziemlich frustrierend sein, da dein Baby nicht richtig vorankommt. Zieh ihm in solchen Fällen unbedingt Anti-Rutsch-Socken an. Es hat dann einfach einen besseren Halt und kann seine Muskeln besser trainieren.
TIPP:
Lege spannende Spielsachen
ein bisschen außer Reichweite –
so wird Dein Baby animiert, diese erreichen zu wollen. Das motiviert dein Kind, sich darauf zuzubewegen.
Krabbeln
Vom Robben geht es meist in den Vierfüßlerstand, der eine wichtige Voraussetzung für das Krabbeln ist. Oft verbringt das Baby Zeit mit Hin-und Herwippen, bevor es sich dann tatsächlich krabbelnd in Bewegung setzt. Im Durchschnitt erlernen Babys das Krabbeln zwischen dem 6. und 10. Lebensmonat. Die größte Schwierigkeit besteht beim Krabbeln darin, die Balance auf Knien und Händen zu halten. Das erfordert bei deinem Baby ein hohes Maß an Koordination sowie Muskelkraft in Armen und Beinen. Eine besondere Herausforderung beim Krabbeln besteht fürs Baby darin, dass es sich um Überkreuzbewegungen handelt, bei denen der Arm der einen Seite parallel mit dem Bein der anderen Körperseite nach vorn oder zurück bewegt wird. Dieses optimale Zusammenarbeiten beider Gehirn- und Körperhälften wird auch als bilaterale Integration bezeichnet.
Krabbeln ist sehr wichtig für die motorische Entwicklung. Nicht jedes Kind krabbelt, bei manchen geht vom Vorwärtsrutschen oder Robben direkt ins Gehen über. Dass das Krabbeln in der Entwicklung übersprungen wird, ist an sich kein Zeichen einer Entwicklungsproblematik, doch nimmt Krabbeln im Hinblick auf die gesamte motorische Entwicklung eine wichtige Rolle ein, da es für das Erlernen gegengleicher Bewegungen (Überkreuzbewegungen) von großer Bedeutung ist.
TIPPS:
- Du kannst das Krabbeln fördern, indem du deinem Kind sowohl wörtlich als auch im übertragenen Sinne den Raum dafür gibst. Sorge für eine sichere Umgebung, in der dein Kind selbstständig auf Entdeckertour gehen kann.
- Falls dein Baby sich anfangs noch rückwärts bewegt, dann halte sanft deine Hände gegen die Fußsohlen des kleinen Entdeckers. Meist genügt dieser leichte Widerstand, damit dein Baby vorwärts krabbelt.
- Sollte sich dein Kind schon eigenständig auf alle vier Gliedmaßen stellen können, dann aber nicht wissen wie es weiter geht, unterstütze es indem du in diesem Moment seine Hüfte mit beiden Händen greifst. Dann schaukele es sanft und liebevoll langsam vor und zurück sowie zu den Seiten. Auf diese Weise erhält es ein Gefühl für die Gewichtsverlagerung.
- Lege ein Kissen auf den Boden und eine Decke darüber. Hinter diesem „Hindernis“ wartet das geliebte Spielzeug. Du motivierst dein Baby mit Worten und Gestik dazu, das Kissen auf direktem Wege zu überwinden um zum Spielzeug zu kommen. Auch hierbei schult es seine Augen-Hand-Koordination und lernt das Krabbeln vermutlich etwas schneller.
- Lege dich gegenüber von deinem Kind auf den Boden und rolle ihm einen bunten Ball zu.
- Scheue dich aber auch nicht, selbst auf allen Vieren zu krabbeln und es deinem Kind vorzumachen.
Sitzen
Die meisten Kinder lernen das Sitzen aus dem Krabbeln heraus. Voraussetzung für das Sitzen ist die Kopfkontrolle! Mit circa acht Monaten ist es gut möglich sein, dass dein Kind ganz ohne Hilfe sitzen kann.
Durch das Sitzen eröffnen sich deinem Kind neue Möglichkeiten. Der Körper findet seinen Schwerpunkt im Becken, die Wahrnehmung der Umwelt erfolgt aus einer anderen Perspektive und das Blickfeld wird erweitert.
TIPPS:
- Das Kind sollte erst stabil alleine sitzen können, bevor du es von dir aus aufsetzt.
- Unterstützend kannst du deinem Kind die Möglichkeit anbieten, es zu stabilisieren, indem du seine Händchen seitlich am Körper aufsetzt. Dadurch und mit deiner Hilfe kann dein Kind beim Sitzen den Kopf hochhalten und eine aufrechte Körperhaltung einnehmen.
- Anfangs stabilisiert sich dein Kind, indem es sich mit einer Hand abstützt und mit der anderen ein Spielzeug greift.
Wenn dein Kind noch etwas wackelig sitzt, dann unterstütze du es, indem du anfangs deine Hände nur leicht auf die Knie deines Kindes legst.
Laufen
Und dann – mit ungefähr acht bis zehn Monaten – kann es sich selbst hochziehen und auf zwei Füßen stehen. Dein Kind baut Vertrauen in seine Fähigkeiten auf und verfügt über die nötige Balance. Viele Babys wagen ihre ersten Schritte zwischen dem 9. und 12. Monat und können mit 14 oder 15 Monaten schon gut gehen.
In diesem Moment hat dein Kind einen der wichtigsten Meilensteine seines Leben erreicht. Es kann laufen und vollzieht damit einen großen Schritt in Richtung Unabhängigkeit. Zuerst steht dein Kind noch ängstlich an einem Möbelstück und versucht vorsichtig erste unbeholfene Schritte in deine offenen Arme zu machen. Später hüpft, springt und rennt es ausgelassen und lässt damit seine Zeit als Baby hinter sich.
Die Bedeutung der Bewegungserziehung
So erschließt sich das Kind seine Umgebung über seinen Körper und seine Sinne. Von klein auf werden die Kinder selbst aktiv und gewinnen Erfahrungen, die es ihnen ermöglichen, immer mehr über sich, ihre Mitmenschen und ihre Umwelt zu erfahren.
Bewegungen gehören zu den elementaren Ausdrucksformen der Kinder.
Die Bedeutung der Bewegung wurde von unterschiedlichen Wissenschaften untersucht und alle kamen zu der Schlussfolgerung, dass die Bewegungserziehung für die frühkindlichen Bildungsprozesse sehr wichtig ist.
Aus anthropologischer Sicht braucht der Mensch Bewegung und Erfahrung um sich durch den Einsatz aller Sinne ein Bild von der Welt und sich selbst zu machen.
Aus entwicklungspsychologischer Sicht haben Körpererfahrungen für das Kind eine wichtige identitätsbildende Funktion. Der Körper ist das Mittel der Ich-Entwicklung und dient dem Selbstständigwerden.
Aus lernpsychologischer und neurophysiologischer Sicht bilden Wahrnehmung und Bewegung die Grundlage kindlichen Lernens, da die Plastizität des Gehirns in der Kindheit durch vielseitige Sinnestätigkeiten angeregt werden muss.
Aus gesundheitspädagogischer Sicht ist Bewegung unerlässlich, um der Vielzahl der Bewegungsmangelerkrankungen, die viele Kinder bereits bei der Einschulung aufweisen, entgegenzuwirken.
Aus sozialökologischer Sicht sind Bewegungsangebote notwendig, um die durch den gesellschaftlichen Wandel bedingten Defizite der heutigen Lebenssituation auszugleichen.
Ziele der Bewegungserziehung
Die Bewegungsfreude des Kindes sollte auch mit zunehmendem Alter weiterhin gefördert werden. Unsere Aufgabe als Eltern oder Erzieher_innen ist es, bei den Kindern Bewegungsfreude zu fördern. Angebotenen Bewegungsspiele sollten ihnen die Möglichkeit geben, ihren Körper möglichst unterschiedlich zu erleben.
In der heutigen Zeit finden Kindern jedoch immer weniger Möglichkeiten, sich frei und ungefährdet zu bewegen. Oft bieten die räumlichen Bedingungen, sowohl in der Wohnung als auch im Freien (Großstadt), den Kindern deutlich weniger Bewegungsfreiheit als zu meiner Kindheit. Auch deshalb ist für viele Kinder der Besuch einer Kindertageseinrichtung so wichtig, da dort noch die entsprechenden räumlichen Möglichkeiten angeboten werden können.
Durch die Bewegung lernen die Kinder sich, ihre körperlichen Fähigkeiten aber auch ihre Grenzen kennen. Sie erfahren den Raum, in dem sie sich bewegen ebenso, wie die Gegenstände und ihre Gesetzmäßigkeiten (Ball – rund- rollt / Baustein – eckig – steht) mit denen sie sich beschäftigen.
Während der spielerischen Bewegung machen die Kinder noch ganz nebenbei viele wichtige Erfahrungen und bauen für ihr weiteres Leben hilfreiche Kompetenzen auf.
Soziale Kompetenz
Während die Kinder die Möglichkeit haben, alleine oder gemeinsam mit anderen Kindern, die räumliche und dingliche Umgebung über Bewegung kennenzulernen, lernen sie geradezu automatisch die Wünsche anderer zu berücksichtigen. Sie bauen Toleranz im Umgang mit unterschiedlich starken oder schwachen Kindern auf. Bei den Bewegungsspielen lernt das Kind nämlich elementare Regeln des sozialen Zusammenlebens kennen, die für seine Zeit im Kindergarten, später in der Schule oder für sein ganzes Leben sehr wichtig sind. So lernen die Kinder spielerisch Konflikte untereinander zu lösen, Entscheidungen zu treffen und auf schwächere Kinder Rücksicht zu nehmen. Auch das Zurückstellen eigener Wünsche zu Gunsten anderer wird erlernt, z.B. dann, wenn das Kind aus Solidarität der Gruppe gegenüber weiterspielt, obwohl es lieber aufhören würde.
Selbstbewusstsein
Während der Bewegungsspiele in der Gruppe entwickelt das Kind Verhaltensstrategien, die seine Individualität und seine Eigenverantwortung fördern. Es lernt im Rahmen des Spiels seine Wünsche zu äußern, seine Meinung zu vertreten und mit Misserfolgen umzugehen.
Individualität
Die Lernbereitschaft und Konzentrationsfähigkeit werden ebenfalls gesteigert. Das Kind entwickelt Ausdauer, sich auch auf unbekannte Bewegungsmuster einzulassen und Dinge zu erlernen, die es noch nicht – oder noch nicht gut – kann. Durch die Möglichkeit, Spielsituationen nach der eigenen Vorstellung zu gestalten und dabei eigene Ideen zu entwickeln wird außerdem die Kreativität des Kindes gefördert.
Denke immer daran, dass jedes Kind einmalig und unverwechselbar ist. Es entwickelt sich ganz individuell, deshalb müssen die Entwicklungsschritte nicht immer perfekt zu den gängigen Entwicklungsskalen und -tabellen passen. Sie sind nur Richtwerte. Solltest du dir aber über die Entwicklung deines Kindes unsicher sein oder wenn es deutlich von den Meilensteinen abweicht, dann ist es wichtig, das du dich traust, den Kinderarzt darauf anzusprechen, um mit ihm deine Sorgen zu besprechen und ggf. fachliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen!